Mutterschaft verändert das ganze Leben. Nicht jede Mutter geht offen mit dieser Veränderung um, aber ausnahmslos jede durchlebt sie. Wie man gut durch diesen Change-Prozess kommt und den Neubeginn als Chance nutzen kann, weiß Innovationstrainerin Hedi Schäfer.

Die Geburt eines Kindes ist ein kompletter Life Changer für die Mutter: Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Das eigene Weltbild wandelt sich, Prioritäten verschieben sich und die Herausforderung, mit einer so großen Verantwortung zu leben, fühlt sich nicht immer leicht an. Es ist normal, dass sich Mütter innerhalb dieses Prozesses überfordert fühlen. Nicht jede Mutter geht offen mit dieser Veränderung um, aber ausnahmslos jede durchlebt sie.

Mittlerweile gibt es sogar einen Begriff für diese Lebensphase: Die Muttertät. Sie beschreibt einen Lebensabschnitt, der mit der Schwangerschaft beginnt und durchschnittlich zwei Jahre andauert. In dieser Zeit verändern sich Frauen hormonell, körperlich und psychisch massiv – genau wie in der Pubertät. Während letztere normalerweise nach ein paar Jahren abgeschlossen ist, kehrt die Muttertät mit jeder neuen Schwangerschaft zurück. Und so individuell, wie sich jede Schwangerschaft gestaltet, ist auch die zugehörige Muttertät ausgeprägt.

Die Muttertät

Die Muttertät ist das deutsche Pendant zur Matrescence, welche den Prozess des Mutterwerdens beschreibt. Dieser Begriff wurde schon 1973 von der Anthropologin Dana Raphael geprägt, 2008 hat die Psychologin Aurélie Athan unter dem Begriff eine neue Bewegung begründet. Dr. Alexandra Sacks hat mit einem Artikel in der New York Times und einem zugehörigen TED-Talk Wellen geschlagen.

    Von der Muttertät in die Identitätskrise

    Es ist normal, dass sich Mütter innerhalb dieses Prozesses überfordert fühlen. „Statt das zu verbergen, sollten Sie darüber sprechen und sich gegenseitig Mut machen“, findet Hedi Schäfer. Sie ist Innovationstrainerin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mütter bei diesem Change-Prozess zu begleiten und zu empowern. „Im Nachhinein empfinde ich es als Geschenk, dass dieser Neustart stattfinden durfte, und möchte deshalb anderen Frauen dabei helfen, auch an diesen Punkt zu kommen. Dieses erste, negative Gefühl hat seinen Ursprung oft in der Überforderung. Und das ist ganz normal, muss aber nicht so bleiben“, erklärt sie ihre Beweggründe.

    Für Hedi war die Geburt ihrer Tochter der Auslöser für eine Identitätskrise. „Auf einmal machte das, was ich beruflich eine Dekade lang jeden Tag gemacht habe, überhaupt keinen Sinn mehr – es hatte keinen Mehrwert für mich oder die Aspekte meines Lebens, die plötzlich wichtig für mich waren“, sagt sie rückblickend. Als Transformationscoach und Innovationstrainerin war sie in der Medien- und Kunstbranche aktiv, begleitete Unternehmen bei Change-Prozessen und war sechs Tage die Woche überall, nur nicht Zuhause.

    Stillstand und Neuanfang

    Mit der Schwangerschaft kam für Hedi der Umzug in eine Kleinstadt, weg aus Berlin und weg aus dem High Performance-Leben. „Als ich dieses Kind zur Welt gebracht habe, war das plötzlich dieser Stillstand. Ich habe mich gefragt, was ich in den vorherigen Jahren erreicht hab, und das Ergebnis war ernüchternd. Ich hatte stark nach außen gelebt, war erfolgreich und viel auf Reisen, aber hatte mich nie mit meinem Inneren auseinandergesetzt. Mit der Frage wer ich bin und wer ich sein möchte.“

    Dieses Gefühl, plötzlich nichts mehr im Griff zu haben, sondern von der Situation überrollt zu werden – das ist nicht nur beängstigend, sondern auch der Beginn jedes Veränderungsprozesses. „Kurioserweise befand ich mich in genau so einem Change-Prozess, wie ich ihn jahrelang bei Unternehmen begleitet hatte. Und deshalb wusste ich, dass ich es schaffen kann“, erinnert sich Hedi.

    Plus-Minus-Null

    Ein Change-Prozess lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Hedis Erfahrung nach ist das Wichtigste, dabei Schritt für Schritt vorzugehen: „Zunächst habe ich angefangen, die Situation als solche zu akzeptieren. Statt alles kontrollieren zu wollen, habe ich die Gefühle zugelassen und mir mein Umfeld angeschaut. Wie will ich leben, was hindert mich daran dorthin zu kommen und was fördert mich? Und dann habe ich angefangen, mein neues Leben nach meinen Vorstellungen zu kreieren.“

    Hedi nennt ihre Vorgehensweise Plus-Minus-Null. Null bedeutet, die eigene Situation zu akzeptieren und den Kontrollverlust zuzulassen, damit in der Folge etwas Neues entstehen kann. Plus beschreibt das Vorgehen, sich das in sein Leben zu holen, was guttut: „Ich habe mich an erfolgreichen Persönlichkeiten wie Athleten oder CEOs gehalten, deren Bücher gelesen und ihre Denkweise sozusagen kopiert.“ Minus bedeutet, das Leben radikal auszumisten und alles zu entfernen, was nicht (mehr) guttut: Von toxischen Beziehungen über schädliche Glaubenssätze bis hin zum Job, der nicht mehr zum Leben passt.

    Persönliche Transformation

    Das klingt theoretisch einfach, praktisch ist es das aber ganz sicher nicht. Und deshalb muss man es auch nicht allein schaffen. „Ich habe mir einen Coach gesucht für die Themen, bei denen ich Hilfe brauchte. Es waren viele Emotionen in mir drin, die nochmal rauswollten und erst dann konnte das geheilt werden. You get what you tolerate – früher haben mich andere Meinungen getriggert, heute akzeptiere ich das nicht mehr und damit geht es mir so viel besser“, sagt Hedi.

    Und auch das Thema Selbstentwicklung hat viel Raum im Transformationsprozess eingenommen: „Ich habe einige Online-Kurse zum Thema Self-Development belegt und mein Hirn quasi umprogrammiert. Das ist in Deutschland überhaupt nicht usus, aber zum Beispiel in Amerika total normal, dass jeder der etwas erreichen will sich erstmal mit seinem Inneren auseinandersetzt und dann erkennt, was er im Äußeren erreichen kann.“

    Um an diesen Punkt zu kommen, war es unter anderem nötig, neue Grenzen zu setzen: „Als mein Kind geboren wurde, war ich 34 Jahre alt, in dem Alter waren die Beziehungen zu meinen Eltern und Schwiegereltern gesetzt. Und dann war da dieses Baby und plötzlich hatte jeder einen Anspruch darauf. Diese Übergriffigkeit erlebe ich auch häufig bei Beratungen, in so einer Situation muss man sich erstmal orientieren und dann neu verhandeln. Mit der Zeit kam diese Erkenntnis, dass ich die Power und Souveränität habe mein Leben so zu gestalten, wie ich das möchte, und mich dazu abgrenzen darf und sogar muss“, sagt Hedi.

    Das Leben simplifizieren

    Was ihr bei diesem Change-Prozess überhaupt nicht geholfen hat, war der Blick nach außen. Beim Versuch, sich an ihrem Umfeld oder der Gesellschaft zu orientieren, kamen ständig Zweifel auf. „Ich habe alles hinterfragt: Meine Beziehungen, meinen Job, meine Einstellungen, einfach alles. Sogar jeden Babykurs: Schafft das Mehrwert für mich und mein Kind, oder geht es hier um Entertainment?“, sagt Hedi. Dazu gehört Mut, aber es ist ein schrittweiser Prozess: „Man muss nicht von Anfang an wissen, wohin die Reise gehen wird.“

    Für Hedi stand bald fest, dass sie nicht in ihren alten Beruf zurückkehren möchte. Statt profitorientierten Unternehmen wollte sie lieber Frauen unterstützen, denen es so geht wie ihr und die ihre Hilfe wirklich brauchen: „Ich bin dankbar für meinen Weg, auch wenn er hart war, aber er befähigt mich heute andere zu empowern und deshalb würde ich rückblickend nichts anders machen. Retrospektiv ist da vor allem diese totale Dankbarkeit, dass dieses neu gestalten meines Lebens stattfinden durfte. Deshalb ist das auch meine Message an alle Frauen, das wirklich als Geschenk wahrzunehmen, sich komplett neu sortieren zu können. Darin liegt so unfassbar viel Potential, wenn wir es strukturiert angehen.“

    Hedi Schaefer

    – Innovationstrainerin, Mutter und Mompreneur
    – Gründerin der Pony Farm Society (The Self-Empowerment Hub For 21st Century Female Creators)