Eine Schilddrüsenerkrankung kann ursächlich für Zyklusstörungen, Fehlgeburten oder den unerfüllten Kinderwunsch sein. Dr. Joachim Feldkamp (Klinikum Bielefeld Mitte) erklärt, woran das liegt und was betroffene Frauen tun können.

In Deutschland betrifft das Thema unerfüllter Kinderwunsch jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren. Nach Schätzungen des Forums Schilddrüse sind bei sieben Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Funktionsstörungen der Schilddrüse verantwortlich.  

Die Schilddrüse wiegt bei Frauen höchstens 18 Gramm – so viel wie eine Rippe einer Tafel Schokolade. Obwohl die Schilddrüse so klein ist, hat sie großen Einfluss auf unseren Körper. Frauen sind vier- bis fünfmal häufiger von Schilddrüsenfunktionsstörungen betroffen als Männer. Die häufigsten Schilddrüsenerkrankungen sind eine Unterfunktion (Hypothyreose) oder eine Überfunktion (Hyperthyreose) als Folge der Hashimoto-Thyreoiditis und des Morbus Basedow.

Unterfunktion (Hypothyreose)

Die Schilddrüse stellt zu wenige oder keine Hormone her.
Die häufigsten Ursachen:
– Hashimoto Thyreoiditis
– Operation mit (teilweiser) Entfernung der Schilddrüse
Typische Anzeichen:
Gewichtszunahme, Müdigkeit, Darmverstopfung, trockene Haut, Haarausfall, depressive Verstimmungen
Behandlung:
Schilddrüsenhormone (Levothyroxin) als Tabletten (unter ärztlicher Aufsicht)

 

Hashimoto Thyreoiditis

Die Schilddrüse entzündet sich, was die Hormonproduktion stört.
Es entsteht eine Überfunktion, die sich nach kurzer Zeit in eine dauerhafte Unterfunktion wandelt.
Ursache:
Das Immunsystem produziert Eiweißsstoffe (Antikörpert), die Schilddrüsenzellen angreifen und die Entzüdung hervorrufen.
Anzeichen und Behandlung:
siehe Unterfunktion

Überfunktion (Hyperthyreose)

Die Schilddrüse stellt zu viele Hormone her.
Die häufigsten Ursachen:
– Morbus Basedow (40%)
– Schilddrüsenautonomie (“heiße Knoten”)
Typische Anzeichen:
Gewichtsverlust bei gutem Appetit, Schlaflosigkeit, verstärktes Schwitzen, erhöhter Blutdruck, Muskelschwäche
Behandlung:
Je nach Ursache und Schwere z.B. Medikamente gegen die Hormonproduktion (Thyreostatika), Radiojod-Therapie oder Operation

 

Morbus Basedow

Die Schilddrüse stellt zu viele Hormone her.
Die Ursache:
Der Körper produziert Eiweißsstoffe (Antikörper), die die Schilddrüse unkontrolliert aktivieren, so dass sie zu viele Hormone herstellt
Typische Anzeichen:
– siehe Schilddrüsenüberfunktion
– in einigen Fällen: Schwellung der Augenregion mit trockenen Augen und Lichtempfindlichkeit
Behandlung:
siehe Schilddrüsenüberfunktion

Schilddrüsenerkrankung und unerfüllter Kinderwunsch

Schilddrüsenhormone aktivieren oder hemmen eine Vielzahl von Körperfunktionen: Über den Blutkreislauf gelangen die Hormone zu den Organen, binden gezielt an Empfängermoleküle und stoßen dadurch wichtige Körpervorgänge an. Ein Zielorgan der Schilddrüsenhormone sind die Eierstöcke. Ob bei ungewollter Kinderlosigkeit eine Funktionsstörung der Schilddrüse vorliegt, kann ein Arzt schnell herausfinden. 

“Frauen mit einer Funktionsstörung der Schilddrüse können normalerweise genauso gut oder schlecht schwanger werden wie alle anderen auch”, sagt Dr. Joachim Feldkamp vom Klinikum Bielefeld Mitte. Wichtig sei allerdings, dass diese erkannt und behandelt wird. Ein Arzt kann eine Schilddrüsenerkrankung mittels eines Blutbildes feststellen. Entscheidend ist unter anderem der TSH-Wert, das wichtigste Steuerhormon der Schilddrüse. Die TSH-Werte bei Kinderwunsch sollten mindestens im Normbereich liegen. TSH-Werte zwischen 1 – 2,5 U/ml sind optimal. 

Dr. med. Joachim Feldkamp

Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie, Infektiologie am Klinikum Bielefeld

Eine erhöhte oder verminderte Schilddrüsenaktivität kann Menstruationsstörungen verursachen, beispielsweise eine Veränderung der Zykluslänge oder der Blutungsstärke. Selten kommt es zu einem gelegentlichen oder dauerhaften Ausbleiben der Regelblutung. Deshalb können auch Zyklen ohne Eisprung, also unfruchtbare Zyklen, auftreten.

 

Bereits in der Frühschwangerschaft erhöht sich der Bedarf an Schilddrüsenhormon um 20 bis 50 Prozent. “In den ersten Schwangerschaftswochen versorgt die mütterliche Schilddrüse das Baby mit, ab dem zweiten Trimenon ist das nicht mehr erforderlich. Deshalb empfehlen europäische Leitlinien ein TSH-Screening für alle Schwangeren”, erklärt Feldkamp. Ist schon vor der Schwangerschaft eine Funktionsstörung der Schilddrüse  bekannt, sollte der TSH-Wert möglichst schnell nach dem positiven Schwangerschaftstest überprüft werden, um die Dosierung der Medikamente entsprechend anzupassen.

 Schilddrüsenerkrankung: Hashimoto Thyreoiditis

Eine häufige Schilddrüsenerkrankung ist die Hashimoto-Thyreoiditis. Dabei entzündet sich die Schilddrüse, was deren Hormonproduktion stört. Es entsteht zunächst eine Überfunktion, die sich nach kurzer Zeit in eine dauerhafte Unterfunktion verändert. Studien zufolge haben Frauen mit Hashimoto-Thyreoiditis ein tendenziell gering erhöhtes Risiko für Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten. Neben Zyklusstörungen sind beispielsweise Müdigkeit, Gewichtszunahme, Verstopfung, trockene Haut, Haarausfall oder depressive Verstimmungen Anzeichen für eine Hashimoto-Thyreoiditis.

Während einer Schwangerschaft muss der TSH-Wert von Betroffenen regelmäßig überprüft werden. Wer mit diagnostizierter Hashimoto-Thyreoiditis bisher nicht medikamentös behandelt wurde, braucht möglicherweise ein Präparat, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Frauen, die bereits medikamentös behandelt werden, müssen ihre Dosis häufig nach oben hin anpassen. 

In beiden Fällen merkt die Schwangere normalerweise kaum etwas von dem Mangel an Schilddrüsenhormonen. Für das Ungeborene sind aber schon kleine Veränderungen entscheidend für die Entwicklung. Deshalb sollten regelmäßige Kontrollen gemacht werden. Auch nach der Entbindung ist eine erneute Anpassung der Dosis wichtig. “Junge Mütter stellen, gerade beim ersten Kind, oft nicht den Zusammenhang zwischen innerer Unruhe, schnellem Herzschlag und dem Zu-Viel an Schilddrüsenhormonen her”, sagt Feldkamp.

Schilddrüsenerkrankung: Post Partum Thyreoiditis

Ein Sonderfall der Hashimoto-Thyreoiditis ist die sogenannte Post Partum Thyreoiditis. Diese Autoimmunerkrankung tritt innerhalb eines Jahres nach der Geburt eines Kinder neu auf. Weil die TSH-Werte bei den Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft in Ordnung waren, ahnen viele Frauen nichts von ihrer Erkrankung. “Plötzlich auftretende Symptome einer Unterfunktion nach der Entbindung werden oft mit dem Babyblues verwechselt, weil sie sich tatsächlich ähneln. Dazu gehören depressive Verstimmungen, Erschöpfung und bleierne Müdigkeit”, sagt Feldkamp.

Schilddrüsenerkrankung: Morbus Basedow

Morbus Basedow ist ebenfalls eine Autoimmunerkrankung, die sich durch eine Überfunktion der Schilddrüse kennzeichnet. Typische Anzeichen sind beispielsweise ein schneller Puls, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Haarausfall, Durchfall, Wärmeintoleranz (ständig zu warm), Händezittern oder eine Gewichtsabnahme bei sehr gutem Appetit. Die Symptome treten laut Feldkamp plötzlich und heftig auf – selten während einer Schwangerschaft, sondern davor oder danach.

Normalerweise mit Morbus Basedow in den ersten ein bis anderthalb Jahren mit blockierenden Medikamenten behandelt, bis die Überfunktion nicht mehr vorhanden ist. Dadurch besteht eine 60 prozentige Heilungschance für Betroffene. Bei den restlichen 40 Prozent sind die gesamten Heilungschancen sehr gering, weshalb das Organ nach einer weiteren Übergangszeit normalerweise “ausgeschaltet” wird. Dies geschieht entweder durch eine Radio-Jod-Therapie oder operative Entfernung. Frauen, die eine solche Behandlung bekommen, haben anschließend eine dauerhafte Unterfunktion und müssen lebenslang medikamentös behandelt werden – auch während der Schwangerschaft.

Sonderfall: Schwanger in der Blockierungsphase

Wie alle Autoimmunerkrankungen wird der Morbus Basedow im Verlauf der Schwangerschaft spontan besser, so dass am Ende der Schwangerschaft oft keine Medikamente mehr nötig sind. Tritt die Schwangerschaft allerdings in der Phase ein, in der die Hormonproduktion medikamentös blockiert wird, ist eine schnelle und sorgfältige Einstellung der Medikamente durch einen Endokrinologen notwendig.

“Es gibt in Deutschland Ärzte, die unter diesen Umständen zu einer Abtreibung raten – das ist aber völlig falsch”, bezieht Feldkamp Stellung. “Tatsächlich haben die klassischen Medikamente (Thiamazol, Carbimazol) ein geringfügiges Risiko, Fehlbildungen beim Ungeborenen zu verursachen. Deshalb weicht man in den ersten drei Monaten, in denen alle Organe des Babys angelegt werden, gerne auf Propycil aus. Dieses Medikament kann die Leber der Mutter etwas mehr schädigen, weshalb man ab dem zweiten Trimenon wieder auf die anderen Alternativen zurückgreift”. Insgesamt sei das Fehlbildungsrisiko aber weitestgehend gering.

Eine häufige Schilddrüsenerkrankung ist die Hashimoto-Thyreoiditis. Dabei entzündet sich die Schilddrüse, was deren Hormonproduktion stört. Es entsteht zunächst eine Überfunktion, die sich nach kurzer Zeit in eine dauerhafte Unterfunktion verändert. Studien zufolge haben Frauen mit Hashimoto-Thyreoiditis ein tendenziell gering erhöhtes Risiko für Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten. Neben Zyklusstörungen sind beispielsweise Müdigkeit, Gewichtszunahme, Verstopfung, trockene Haut, Haarausfall oder depressive Verstimmungen Anzeichen für eine Hashimoto-Thyreoiditis.

Während einer Schwangerschaft muss der TSH-Wert von Betroffenen regelmäßig überprüft werden. Wer mit diagnostizierter Hashimoto-Thyreoiditis bisher nicht medikamentös behandelt wurde, braucht möglicherweise ein Präparat, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Frauen, die bereits medikamentös behandelt werden, müssen ihre Dosis häufig nach oben hin anpassen. 

In beiden Fällen merkt die Schwangere normalerweise kaum etwas von dem Mangel an Schilddrüsenhormonen. Für das Ungeborene sind aber schon kleine Veränderungen entscheidend für die Entwicklung. Deshalb sollten regelmäßige Kontrollen gemacht werden. Auch nach der Entbindung ist eine erneute Anpassung der Dosis wichtig. “Junge Mütter stellen, gerade beim ersten Kind, oft nicht den Zusammenhang zwischen innerer Unruhe, schnellem Herzschlag und dem Zu-Viel an Schilddrüsenhormonen her”, sagt Feldkamp.

Schilddrüsenerkrankung: Post Partum Thyreoiditis

Ein Sonderfall der Hashimoto-Thyreoiditis ist die sogenannte Post Partum Thyreoiditis. Diese Autoimmunerkrankung tritt innerhalb eines Jahres nach der Geburt eines Kinder neu auf. Weil die TSH-Werte bei den Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft in Ordnung waren, ahnen viele Frauen nichts von ihrer Erkrankung. “Plötzlich auftretende Symptome einer Unterfunktion nach der Entbindung werden oft mit dem Babyblues verwechselt, weil sie sich tatsächlich ähneln. Dazu gehören depressive Verstimmungen, Erschöpfung und bleierne Müdigkeit”, sagt Feldkamp.

Schadet eine Schilddrüsenerkrankung dem Ungeborenen?

Eine weitere Besonderheit ist bei Schwangeren mit diagnostizierter Morbus Basedow kurz vor der Entbindung zu beachten. Die Krankheit wird von Antikörpern verursacht, die fälschlicherweise an den TSH-Rezeptoren andocken (anstelle vom richtigen TSH). Diese Antikörper können über die Plazenta an das Kind übertragen werden. Wird im letzten Schwangerschaftsdrittel ein hoher Wert von Antikörpern im Blut der Mutter gemessen, besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Baby nach der Geburt eine Schilddrüsenüberfunktion entwickelt. Diese ist, wenn vorhanden, nur vorübergehend: Die Antikörper werden vom Baby innerhalb von drei Monaten selbstständig wieder abgebaut.

“Tatsächlich habe ich so einen Fall nur dreimal in 30 Jahren erlebt – und ich betreue viele Schwangere. Bei jeder von Morbus Basedow Betroffenen messe ich in den letzten Schwangerschaftswochen die TSH-Rezeptoren und wenn die Werte niedrig oder kaum messbar sind, geht das Risiko gegen Null”, sagt Feldkamp. In den wenigen Fällen, wo es doch passiert, wird das Baby nicht mit blockierenden Medikamenten, sondern symptombezogen behandelt. Ein Beta-Blocker reguliert beispielsweise den erhöhten Puls.

In allen anderen Fallen, beispielsweise der Hashimoto-Thyreoiditis, sei es laut Feldkamp äußerst unwahrscheinlich, dass ein Baby nach der Geburt eine Schilddrüsenfunktionsstörung habe. Diese Sorge haben zwar viele von Feldkamps Patientinnen, aber sie ist zunächst unbegründet: Hashimoto-Thyreoiditis könne zwar vererbt werden, breche aber normalerweise erst im Erwachsenenalter aus. Vereinzelt erkranken zwar auch Kinder, aber erst ab dem vierten oder fünften Lebensjahr oder zu Beginn der Pubertät. Dies mache sich in der Regel durch eine Schwellung der Schilddrüse erkenntlich.

Jod in der Schwangerschaft

Ein weiterer Irrglaube ist es, dass Frauen mit einer Schilddrüsenfunktionsstörung kein zusätzliches Jod zu sich nehmen sollten. “Jede Frau sollte Jod nehmen, sowohl vor als auch während und nach der Schwangerschaft. Auch mit Hashimoto-Thyreoiditis.”, erklärt Feldkamp. Jod schade der Frau nicht, aber es nütze dem Kind. Die einzige Gruppe, die seiner Ansicht nach in der der Schwangerschaft kein Jod zuführen sollte, sind Frauen mit einer aktiven Überfunktion (zum Beispiel zu Beginn eines Morbus Basedow).

Die deutsche Empfehlung sieht täglich zusätzliche 150 bis 250 Mikrogramm Jod in der Schwangerschaft vor, diese Menge enthalten die meisten Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere. Das Spurenelement wird zur Produktion von Schilddrüsenhormonen benötigt. Bei einer zu geringen Jodaufnahme vergrößert sich die Schilddrüse, um trotzdem genug Hormone zu bildern. Dadurch können sich ein Kropf (Struma) oder Knoten bilden.

In der Schwangerschaft wächst die Schilddrüse immer: Sie wird stärker durchblutet und muss mehr Hormone produzieren, um Mutter und Kind ausreichend zu versorgen. “In diesem Rahmen können manchmal auch vorhandene Knoten größer werden, das ist aber meist unproblematisch”, erklärt Feldkamp. In sehr seltenen Fällen wird in der Schwangerschaft Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Dieser gehöre aber zu den “gutartigsten Tumoren überhaupt” und die notwendige OP könne meist problemlos auf die Zeit nach der Schwangerschaft verschoben werden.